Tischtennis-Weltmeisterschaft in Rotterdam

Timo unser, der du bist an der Tischtennisplatte, geheiligt sei deine Eleganz, dein Triumph komme, dein Wille geschehe, wie in der Box, so auch auf den Rängen.“ (Timo Unser, Strophe 1)

Alles begann mit einem Spaß: „He, wir könnten doch nach Rotterdam fahren.“ Die Antwort darauf brachte schließlich die folgenden Geschehnisse ins Rollen: „Klar, warum nicht?“

So entstand die Idee zur Tischtennis Einzelweltmeisterschaft zu fahren, um dort den wohl besten deutschen Tischtennisspieler aller Zeiten – Timo Boll – auf seiner Mission „Erstes Einzeledelmetall“ zu unterstützen und gleichzeitig eine Menge Spitzentischtennis zu sehen.

Schließlich sollten wir fünf Boll-Jünger und eine Boll-Jüngerin werden – Helen, Christian, Clemens, Frank, Tim und ich. Alsbald waren dann auch Hallentickets für den Freitag gebucht, dann die Bahntickets und schließlich fand sich auch noch ein recht günstiges, hübsches Apartment für sechs Personen. Wir waren also super vorbereitet und mit jedem Tag der verstrich, stieg die Vorfreude. Und Bolls Form gab Grund zur Hoffnung auf eine erfolgreiche WM.

So kam dann der 12.5. und wir trafen uns beizeiten am Bahnhof zur Abfahrt, genauer 6:35 Uhr. Keine Zeit die man als Student gewöhnt ist. Mit einigem Umsteigen erreichten wir auch die Niederlande, um dann anscheinend was nicht ganz richtig verstanden zu haben. Wir hatten in Amsterfoord nur eine Minute, um in den Anschlusszug zu kommen und stiegen ein – und landeten in Den Haag statt in Rotterdam. Was aber kein Problem war. Einfach den nächsten Zug nehmen und schon waren wir nach einer weiteren halben Stunde endlich in Rotterdam.

Kleine Anlaufschwierigkeiten hatten uns also kalt gelassen und so fanden wir auch problemlos unser Apartment, dessen einzige Schwierigkeit darin bestand, dass die Treppen, mit Untertreibung, schmal und klein waren.

Mit Pasta, und nebenbei dem Livestream der WM, in dem Ma Long Oh Sang Eun zerlegte, näherten wir uns dem ersten Highlight der Reise: Clemens Geburtstag.

Trinken und Spaß bei einem recht komplexen Spiel, dem Tim eine ganz persönliche Note gab, zum Leidwesen uns anderer, überschritten wir dann die Grenze zum Ehrentag und wussten das in entsprechender Art und Weise zu würdigen.

Irgendwann legten wir uns dann zur Nachtruhe, um bald darauf gen Ahoy-Arena aufbrechen zu können.

 

Unser täglich Jubel gib uns heute. Und vergib uns unsere Zweifel, wie auch wir vergeben den Aufschlagfehlern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von unseren vor Aufregung feuchten Händen. Denn dein sind die Pokale und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.“ (Timo Unser, Strophe 2)

Zu dritt brachen Helen, Tim und ich auf, um auch schon die ersten Spiele, gleich am Morgen verfolgen zu können. Die anderen drei würden dann Mittag dazu stoßen.

Schnell war der Weg gefunden, mit der Metro hin zum großen Sporttempel. Welcher sich aber noch als recht leer herausstellte. Es war zu Beginn nicht ganz ungewöhnlich, wenn man beim Klatschen für die persönliche(n) Favoritin(nen) nur sein eigenes Echo hörte.

Das allgemeine Desinteresse mag auch daran gelegen haben, dass es relativ zeitig war und die Begegnungen ohne europäische Beteiligung stattfanden. Trotzdem …

Gegen Mittag wurde die Halle zunehmend voller, was sich auch etwas auf die Stimmung auswirkte. Als wir von einer kleinen Pause zurückkamen, hatte sich nahezu die gesamte japanische Nationalmannschaft hinter uns positioniert und unterstützte lautstark ihr Damendoppel, was letztendlich aber leider ausschied. (Man muss überhaupt sagen, dass Tischtennis ein sehr fannaher Sport ist. Wenn man durch die Arena spazierte, liefen einem alle paar Meter richtige Topstars über den Weg. Und alle gaben gerne Autogramme und posierten für Fotos.)

Als aber die Herren mit den Einzelachtelfinals begannen, war auch endlich mehr in der Halle los. Und die Spiele waren auch dementsprechend gut. Zhang Jike fegte Joo Se Hyuk von der Platte, und der große, „alte“ Wang Liqin besiegte Xu Xin.

Und dann kamen endlich wieder Europäer zum Zuge. Vladimir Samsonov musste letztendlich, trotz viel Gegenwehr und dem besseren Ende im genialsten Ballwechsel des Spiels, Chen Qi gratulieren. Am Nachbartisch war unser aller Hoffnung Timo Boll zu Gange, leider in einem „Bruderkampf“ mit Ovtcharov. Wir hatten aber zum ersten Mal die Chance unsere Deutschlandaccessoires anzubringen und schwenkten unsere Fahnen und unterstützten beide. Als dann aber Timo doch noch scheinbar ins Schwimmen kam, und den 2:2 Ausgleich hinnehmen musste, kamen die GO TIMO Schilder zum Einsatz. Und siehe da – ein 11:0 im fünften Satz zog Ovtcharov den Zahn, der dann auch 2:4 unterlag. Timo war also in der nächsten Runde und unser Entschluss stand fest, dass wir ihn am nächsten Tag bei seiner Mission „Medaille“ unterstützen müssten.

Was dann folgte, erfüllte unser aller Herzen mit Freude und Glück: Die Spielerinnen und Spieler liefen immer noch einmal an der Tribüne entlang, wenn sie nach einem Spiel die Halle verließen und bekamen ihren Applaus. Als Timo kam, winkte er nur einmal in den ersten Rang. Als er dann aber den Blick noch etwas weiter schweifen ließ, sah er auch uns (GO TIMO) – und hob die Hand erneut, erst flach, um sie dann zum emporgereckten Daumen zu formen. Nur für uns! Er hatte uns gesehen! Wuhu! Timo, Timo, Timo! Wuhuhuhu!

Auf dem Weg zurück zum Apartment machten wir bereits eine kleinen Stadtrundgang: vorbei am höchsten Wolkenkratzer der Niederlande; gleich daneben die bekannte Erasmusbrücke mit ihrem Schwanenhals; der Telekom-Tower, dessen Architektur den Kränen des Hafens nachempfunden ist; und verloren schließlich Frank, der dann irgendwann wieder anspaziert kam. Schließlich stießen wir noch mit Dürüm auf Clemens Geburtstag an und verbrachten die Nacht ähnlich der vorhergehenden – mit einer Menge Spaß und zu später Stunde dann auch irgendwann mit Schlaf.

 

Der Timo ist unser Hirte, uns wird nichts mangeln. Er nähret uns mit seinen Tenergys und führet uns zu Boll Spirit Offs. Er erquicket unsere Seele, er führet uns in die richtigen Hallen, immer seinem Namen nach. Und müssen wir auch wandern durch finstere Zeiten, wir fürchten keine Niederlage, denn er ist bei uns, sein Schläger gibt uns Zuversicht.“ (Timo Psalm 23)

Den Samstag verbrachten wir in etwas verschiedenen Formen. Ich ging zunächst Tickets für den Tag holen und sah mir die Rotterdamer Innenstadt an. Tim und Helen schauten sich tagsüber die Stadt genauer an und die anderen drei kamen dann ab Mittag mit in die Halle. Und man kann schon vorweg nehmen – es war Superstimmung an dem Tag. Geschätzt 10.000 Menschen in der Halle und ab den Herrenviertelfinals ging auch die Laola Welle durchs Rund.

Doch der Reihe nach. Das erste Spiel was an diesem Tag gesehen wurde, war ein absolut geniales Doppel, mit Wahnsinnsballwechseln zwischen Ma Lin/Chen Qi und Wang Hao/Zhang Jike. Letztlich gewannen die Olympiasieger von 2004 und zogen ins Finale ein.

Nach der Pause ging es dann Schlag auf Schlag und es blieb kaum Zeit zur Besinnung. Ein super Spiel nach dem anderen und die Stimmung nahm immer mehr zu. Diesmal saßen wir am Kopfende der Arena und hatten einen gänzlich anderen Blick auf die Halle. Die war inzwischen sehr voll, was sich auch in der Lautstärke und dem allgemeinen Spaß niederschlug. Den Höhepunkt erreichte das Ganze, als die Zuschauer sich mit der Laola-Welle selbst feierten und die rein chinesischen Viertelfinals mehrfach mit dem Weiterspielen warten mussten. Wir waren natürlich mittendrin statt nur dabei und fieberten auch Bolls Spiel entgegen. Als dieser kurz in „Vorraum“ der Halle auf den riesigen Hallenleinwänden gezeigt wurde, brandete das erste Mal Jubel für ihn auf.

Um fair zu sein – die chinesischen Viertelfinals waren richtig gut und konnten die Halle mitreißen. Also war alles bereitet für den großen Kampf um Bolls Einzelmedaille. Und dann war es soweit …

Unter tosenden Beifall marschierten Chen Qi und Boll in die Halle und wir schwenkten unsere TIMO Schilder und unsere Fahnen, die Rasseln dröhnten, von der linken Seite klang eine Kuhglocke, eine Tröte rundete alles ab. Leicht feuchte Hände vor Aufregung waren garantiert.

Dann begann das Spiel. Jeder Punkt von Boll wurde gleich frenetisch gefeiert, der erste Satz ging deutlich an ihn. In jeder Satzpause reckten sich fortan unsere Schilder und Fahnen in die Höhe, immer wieder die Rufe „Timo“ *klatschklatschklatsch*. Die Unterstützung brauchte er auch, als der zweite Satz verlor ging und das Spiel zu kippen schien. Doch unter der Anfeuerung des Publikums spielte er weiter aggressiv, nah am Tisch und Chen Qi begann leichte Fehler zu machen. Als ihn Boll die Topspins direkt am Tisch mit Gegentopspins wegnahm, war kaum noch ein Mittel gut genug. Und Boll schaffte es tatsächlich. Im letzten Satz führte er schon sehr hoch, doch jeder der letzten Punkte wurde von kollektivem Jubel begleitet und als dann der Matchball fiel, gab es kein Halten und die Halle stand Kopf und Timo ballte die Faust. Wir sprangen mit unseren TIMO Schildern auf und als Boll ins Publikum sah, zeigte er einmal mehr den Daumen – diesmal zur Kopfseite der Hallen, uns.

So viel Stimmung, und trotz des letztendlich einseitigen Spiels auch Spannung – das macht einfach nur Spaß.

Darauf folgten noch das Einzelfinale der Damen, was Ding Ning für sich entschied – und mit was für einem Ballwechsel. Damit hatte sie auch das Publikums hinter sich und feierte ihren Triumph.

Doch der Tischtennistag war nicht zu Ende – das Herren Doppelfinale stand noch an. Und hier gewannen Ma Long/Xu Xin gegen Chen Qi/Ma Lin, recht deutlich aber mit super Ballwechseln.

Wir waren noch immer freundentrunken von Timos Erfolg, unserem Helden (der uns wieder gesehen hatte) und natürlich auch reine Freude für ihn – endlich seine erste Einzelmedaille bei Weltmeisterschaften und Olympia.

So weit zum Tischtennisteil des Tages. Abends kam aber ein weiteres (kleines) Highlight. Der Eurovision Songcontest, auf den (wie auch sonst sehr viel) gewettet wurde, und Frank sehr ins Schwitzen kam. Wir haben sogar für Lena abgestimmt! Gereicht hat es bekanntermaßen trotzdem nicht. Da es aber noch einiges zu leeren galt an diesem Abend, schließlich mussten alles weg bis zum Auszug am nächsten Tag, hielt sich unsere Freudenstimmung für unseren Timo noch lange, was schließlich in einer Wahnsinns-Choreografie gipfelte, die wir zu Ehren unseres Helden und Halbgottes in sehr überzeugender Manier und mit viel Jubel gestalteten. Das Video dazu wird aber wohl nur sehr ausgewählten Augen vorbehalten bleiben …

Dementsprechend wurde es dann auch sehr spät und noch später, wobei einige noch lange die ganze Wohnung mit einem endlich gefundenen Lied beschallten, welches tagsüber in der Halle gelaufen war.

 

Im Namen des Timos, des Bolls und des Heiligen Tischtennis.“ (Trinität des Timo Boll)

So kam denn der finale Tag.

Wir verließen unser Apartment fast so, wie wir es vorgefunden hatten – mal abgesehen von ein „paar“ Flaschen. Frank schulterte sich wie hinzu Helens Koffer und wir zogen aus, Timo noch einmal anzufeuern.

Die Halle war leider nicht so voll wie am Tag zuvor, und die Laola Welle kam nicht ins Rollen, aber gute Stimmung war trotzdem. Das erste Halbfinale Ma Long gegen Wang Hao war zum Warmwerden und schön was für’s Auge. Dann kam Timo gegen Zhang Jike und durch die Halle lief eine Welle der Begeisterung. Wir wedelten Fahnen, winkten mit Gummihänden, rasselten und schrien was das Zeug hielt, und waren dann auch während des Einspielens auf der Videoleinwand zu sehen mit unseren GO TIMO Schildern. (P.S.: Dieser Ausschnitt kam übrigens auch im ZDF Morgen- und Mittagsmagazin am Montag, den 16.5. und auf ARD in der Sportschau vom 15.5. und im Morgenmagazin der ARD – letztendlich waren wir auch dreimal auf der Videoleinwand; wir haben der TTC Elbe also würdig in Rotterdam repräsentiert)

Die Stimmung kochte, vor allem als Boll den ersten Satz gewann. Doch dann kam (Zitat Boll) „die Maschine ins Rollen“. Zhang spielte Wahnsinnsbälle, machte keine leichten Fehler mehr und Boll musste drei Sätze in Folge klar abgeben. Auch im letzten nutze eine Aufholjagd von 5:9 nichts mehr. Boll verlor 1:4 – aber hatte endlich, endlich seine erste Einzelmedaille bei einer WM.

In der Pause vor den Finals bekam Timo noch den Fairplay-Preis verliehen. Als er danach aus der Halle ging, feierten wir ihn frenetisch und er sah uns einmal mehr und grüßte uns mit dem gestreckten Zeigefinger – inzwischen musste er uns ja quasi kennen. Timo, Timo, Timo, wuhuuuu!

Die Finals, Damendoppel und Herreneinzel, waren teilweise geniales Tischtennis, wobei Ding Ning vielleicht den Ball des Turniers spielte und das Ende und Zhang Jikes Jubel einfach nur sehenswert sind und Tischtennis begeisterungswert machen. Als er sich das Trikot zerriss, peitschte das die ganze Halle nur noch mehr auf.

Tja, so war das dann auch vorbei und uns blieb nichts, als den Heimweg mit dem Nachtzug anzutreten. Sieben Uhr früh am Montag kamen wir an und noch immer lief der Spaß, die Emotionen und nun ja der Spaß der letzten Tage durch unsere Adern. Und falls es noch nicht deutlich geworden sein sollte: Es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht!!!

Was uns nun erwartet, ist die Team WM im nächsten Jahr in Dortmund. Timo und Deutschland: Wir kommen!

2 Gedanken zu „Tischtennis-Weltmeisterschaft in Rotterdam“
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